Fakten-Check Kohlenhydrate

Low Carb-Mahlzeiten halten den Insulinspiegel niedrig, Einfachzucker ist schlecht und langkettige Kohlenhydrate sättigen länger: Behauptungen wie diese halten sich hartnäckig, stimmen aber nicht immer. Fünf Fakten rund um Reis, Kartoffeln und Co, die du kennen solltest.

Was darf ich essen und was schadet meiner Figur? Was ist wirklich gesund und was nicht? Auf der Suche nach klaren Richtlinien neigen wir dazu, Dinge stark zu vereinfachen. Doch leider führen allgemeine Empfehlungen oft zu Missverständnissen. Einer der Gründe, warum selbst viele Sportler Kohlenhydrate für Dickmacher halten und meiden.

Dabei hat jede Medaille zwei Seiten. „Wie Kohlenhydrate auf den Körper wirken, hängt ganz davon ab, in welcher Form, in welcher Menge und zu welchem Zeitpunkt sie gegessen werden. Einerseits können sie träge machen und Fetteinlagerungen begünstigen. Andererseits können sie aber auch die Leistung steigern, zum Muskelaufbau beitragen, den Stoffwechsel anregen, die Regeneration fördern und die Gesundheit verbessern“, erklärt Ernährungswissenschaftlerin Alina Leitinger.

Die Expertin rät nur von einer Form der Kohlenhydrate komplett ab: „Von stark verarbeiteten Produkten mit jeder Menge Zusatzstoffen sowie Süßigkeiten, die nur ‚leere’ Kalorien liefern. Wobei ich der Meinung bin, dass es generell keine Verbote geben sollte. Die Dosis macht das Gift.“ In ihrem Berufsalltag wird Leitinger mit den verschiedensten Mythen konfrontiert, wobei die folgenden fünf auch im Fitnessbereich weit verbreitet sind.

Mythos 1: Kohlenhydrate machen dick, weil sie die Fettverbrennung behindern.

Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit schüttet die Bauchspeicheldrüse verstärkt Insulin aus. Das Hormon regt die Körperzellen dazu an, Glukose aus dem Blut aufzunehmen. Es stimmt: Solange der Insulinspiegel erhöht ist, wird die Ausschleusung von Fettsäuren aus den Fettzellen gehemmt und überschüssige Energie in den ungeliebten Depots gespeichert (Lipogenese).

Im Umkehrschluss bedeutet das aber nicht, dass Kohlenhydrate dick machen: Sobald der Insulinspiegel gesunken ist – in den Esspausen zwischen den Mahlzeiten oder in der Nacht – kurbelt der Körper nämlich wieder die Fettverbrennung (Lipolyse) an. So halten sich Fettaufbau und -abbau bei einer ausgeglichenen Ernährungsweise die Waage.

Mythos 2: Wer Kohlenhydrate meidet und den Insulinspiegel niedrig hält, wird nicht dick.

Wenn das so wäre, würde sich wahrscheinlich jeder nach dem Low Carb-Prinzip ernähren. Fakt ist: Wer mehr isst als der Körper benötigt, muss mit zusätzlichen Fettpölsterchen rechnen. Da hilft es auch nicht, auf Kohlenhydrate zu verzichten. Das hängt unter anderem mit dem Enzym hormonsensitive Lipase (HSL) zusammen. Es hat die Funktion, das im Körper gespeicherte Fett zur Energiegewinnung bereitzustellen. Seine Aktivität wird aber nicht nur durch Insulin, sondern auch Nahrungsfette massiv eingeschränkt. Wer viel Fett isst, blockiert die Lipolyse also ebenso.

Mythos 3: Ohne Kohlenhydrate kein Insulinausstoß.

Eiweiß ist also der einzige Makronährstoff, der nicht die Fettverbrennung hemmt? Leider nein. Auch Eiweiß kann den Blutzuckerspiegel in die Höhe treiben und die Bauchspeicheldrüse zu einer starken Insulinausschüttung anregen. Das betrifft insbesondere schnell verdauliche Proteine wie Whey sowie die essenziellen Aminosäuren Valin, Leucin und Isoleucin (BCAAs).

Ein Umstand, der auch Typ-1-Diabetikern bekannt ist: Viele berechnen die benötigte Insulinmenge nicht nur nach den konsumierten Kohlenhydraten, sondern auch bei Eiweiß-Fett-Mahlzeiten (Fett-Protein-Einheit FPE).

Mythos 4: Langkettige Kohlenhydrate wie Hülsenfrüchte oder Wildreis sind gut, kurzkettige wie Honig oder Obst schlecht.

Ob Kohlenhydrate gut oder schlecht sind, hängt von der körperlichen Aktivität, dem jeweiligen Ernährungsziel, dem Zeitpunkt und der Größe der Mahlzeit ab. So setzen etliche Sportler vor, während oder nach einer Trainingseinheit auf kurzkettige Kohlenhydrate, um die Energiespeicher schnell wieder aufzufüllen – durchaus auch wenige Stunden vor dem Schlafengehen. Für jemanden, der den ganzen Tag im Büro verbringt und sich wenig bewegt, ist das im Normalfall nicht besonders ratsam.

Mythos 5: Kurzkettige Kohlenhydrate führen zu starken Blutzuckerschwankungen, langkettige hingegen werden vom Körper langsam aufgenommen und geben deshalb länger Energie.

Auch wenn diese Behauptung in vielen Fällen zutreffend ist: Manche kurzkettige Kohlenhydrate halten den Blutzuckerspiegel stabiler als langkettige, weil auch Faktoren wie Verarbeitungsgrad oder Ballaststoffgehalt eine Rolle spielen. Ein Beispiel hierfür sind stärkehaltige Lebensmittel wie Weißbrot oder Kartoffeln. Sie gehören zwar zu den kettenlängsten Kohlenhydraten, gelangen aber trotzdem schneller in die Blutbahn als ein Apfel, der Fruktose enthält.

Aufschluss über die Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel gibt nicht die Kettenlänge, sondern vor allem die glykämische Last (GL) des Lebensmittels.

Links