Bali und Lombok abseits der Trampelpfade

Indonesien bietet mehr als 17.500 Inseln, verschiedenste Landschaften und Kulturen. Da lohnt sich der Blick über den massentouristischen Tellerrand.

Keine Souvenirs, keine Touristenschlangen, keine Busse: Je weiter wir uns vom Flughafen und von Balis boomendem Süden entfernen, desto ruhiger und ländlicher wird es. Nach rund zwei Stunden Autofahrt beginnt sich der Blick aus dem Fenster endlich zu lohnen. Die Straße schlängelt sich steile Berghänge hinauf, an die sich gestaffelte Reisterrassen schmiegen. 

Sie sind mit Wasser geflutet und voller sattgrüner Setzlinge, über die sich hier und dort Feldarbeiter mit kegelförmigen Hüten beugen. „Willkommen in Jatiluwih“, begrüßt uns Reisbauer Wayan Sukamerta bei unserer Ankunft am Rand der kunstvoll angelegten Stufen. Der Ortsname bedeutet übersetzt so viel wie „ergreifende Schönheit“ – eine wirklich passende Beschreibung für die Aussicht auf das ausgeklügelte Anbau- und Bewässerungssystem, das schon vor knapp tausend Jahren errichtet wurde. Es ist das älteste der gesamten Insel und wurde 2012 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerben aufgenommen.

Traditionelles Landleben

Trotz dieser Auszeichnung ist Jatiluwih sehr ursprünglich geblieben. „Die -meisten Touristen zieht es in die Nähe der Hotels im Süden. Sie sehen sich die bekannteren Reisterrassen bei Ubud an“, weiß Wayan. Das bestätigt auch eine kurze Fahrradtour durch die Felder. Uns begegnen kaum Urlauber. Dafür umso mehr Landarbeiter, die mit der Pflege der Pflänzchen beschäftigt sind oder mit Früchten und Arbeitsgerät befüllte Körbe auf dem Kopf transportieren.

Wayans Erzählungen machen schnell klar, wie hart der Alltag hier ist: „Die kleinen Flächen machen es unmöglich, mit Maschinen zu arbeiten. Fast alles muss von Hand erledigt werden.“ Insgesamt 600 Hektar Land werden in dieser Region bestellt, jeder davon bringt etwa fünf Tonnen Ertrag. Der weiße Reis kann zwei Mal im Jahr geerntet werden. Der lokale, rote Reis nur ein Mal, im November. „Wir beten stets dafür, dass alles glatt läuft“, sagt der 40-jährige Hindu und zeigt auf eine prächtige Tempelanlage am Fuße der Terrassen. Aber nicht nur die Religion, auch die „Subak“ spielt im Leben der Bauern eine große Rolle: Sie ist eine Art Reisfeldgenossenschaft, die den gesamten Anbau inklusive Bewässerung steuert. „Hier sind es etwa 700 Mitglieder“, schätzt Wayan.

Zwar ist Reis indonesisches Grundnahrungsmittel Nummer eins. Im tropischen Klima Balis gedeiht aber weit mehr Schmackhaftes. Wayan zeigt uns Kaffeekirschen, Kakaofrüchte und Avocados. In einem Waldstück sammeln wir wilden Farn, Spinat und Maniokwurzeln, mit denen wir später ein traditionelles Festessen zubereiten. Mit dem Touristen-Klassiker Nasi Goreng hat das nicht viel gemein: Auf einer langen Tafel werden unter anderem frittierte Maniokwurzeln, Eier, Huhn, Farn und Spinat in Bananenblättern angerichtet – dazu gibt es jede Menge Reis. Jeder bedient sich selbst und kostet von allen Gerichten.

Authentische Erlebnisse

Als weltgrößtes Inselreich hat Indonesien natürlich weit mehr zu bieten als nur das ursprüngliche Bali. Deshalb geht es in den nächsten Tagen weiter nach Lombok, zu drei eher unbekannten Gili-Inseln – Nanggu, Sudak und Kedis, nach Manado sowie auf die Bunaken. Wem all diese Namen nichts sagen, muss sich nicht schämen: Diese Destinationen sind von Bali aus zwar recht unkompliziert und schnell zu erreichen, touristisch aber noch wenig erschlossen.

Ein Umstand, der sich nicht nur auf den Straßen, sondern auch bei den Unterkünften bemerkbar macht: Wer die gehobene Fünf-Sterne-Kategorie bevorzugt, hat abseits der Touristen-Hochburgen begrenzte Auswahl. Allerorts weit verbreitet hingegen sind sogenannte Homestays, die von einheimischen Gastfamilien betrieben werden. Eine gute Alternative für alle Reisenden, die auf Perfektion bei Ausstattung und Sauberkeit verzichten können und gerne die indonesische Kultur kennenlernen möchten.

Andere Insel, andere Kultur

Lombok wird als Balis kleine, unauffällige Schwester bezeichnet und bietet mindestens genauso faszinierende Landschaften, Strände und Tauchgründe. Der wohl größte Unterschied zur hinduistischen „Götterinsel“ offenbart sich nach der ersten Übernachtung: Werde ich in Jatiluwih vom Krähen des Hahns geweckt, ist es im muslimisch geprägten Lombok der Ruf des Muezzins. Touristen gegenüber sind die Einwohner durchaus aufgeschlossen – kurze Hosen sind auch hier nichts Besonderes. 

Die konservativere Lebensweise wird aber spätestens beim Besuch eines traditionellen Dorfes deutlich: „Frauen dürfen erst heiraten, wenn sie weben können. Sie lernen das schon ab dem siebenten Lebensjahr“, erzählt uns ein junger Sasak in Sade. „Jeder Mann darf bis zu drei Ehefrauen haben – wenn er sich das leisten kann“, grinst er. 

Kaum vorstellbar, dass nicht weit entfernt von den einfachen Dorfhütten aus Kuhdung und Lehm eine 16 Kilometer lange Touristenzone aus dem Boden gestampft werden soll: Für das Mandalika-Projekt an der Südküste werden in den kommenden Jahren etliche Hotels und Freizeiteinrichtungen errichtet. Ob Lombok dann noch als authentisches Urlaubsziel gilt, bleibt abzuwarten. Auch manche der benachbarten Gili-Inseln, die lange als unberührte Badeparadiese bekannt waren, sind inzwischen überlaufen. Allen voran Trawangan, Meno und Air.

Mini-Inseln zum Entspannen und Schnorcheln

Wir starten daher einen Tagesausflug zu drei südlich gelegenen Gilis, die wir nacheinander mit Anlegerbooten erreichen. Gili Kedis ist die kleinste davon: Das herzförmige Eiland kann in kürzester Zeit zu Fuß umrundet werden. Platz ist hier lediglich für ein Café, ein paar Liegestühle und Schaukeln. Gili Nanggu und Gili Sudak sind größer und bieten inzwischen sogar einfache Übernachtungsmöglichkeiten an.

Die Zahl der Touristen ist (noch) überschaubar, die Unterwasserwelt intakt und definitiv ein paar Schnorchel- oder Tauchgänge wert. Den absoluten Schnorchel-Höhepunkt meines Indonesien-Aufenthalts erlebe ich allerdings in den leuchtend bunten Korallengärten der Bunaken. Der Meeresnationalpark liegt rund drei Kilometer vor dem Festland Nordsulawesis in der Nähe von Manado. Bekannt ist das Tauchrevier unter anderem seit der Entdeckung des Manado-Quastenflossers im Jahr 1997, wie uns Führer David bei unserer Tour durch das Gebiet erzählt.

Auch zu Fuß gibt es in Nordsulawesi einiges zu entdecken. Zum Beispiel den 1.324 Meter hohen Mahawu-Vulkan, der zuletzt im Jahr 1977 ausgebrochen ist. Die rund einstündige Wanderung um den Krater bietet viele tolle Aussichtspunkte. Ebenso lohnenswert ist der Besuch des Danau Linow. Der See vulkanischen Ursprungs ist stark schwefelhaltig und weist eine reiche Vogelwelt auf.

Faktor Zeit

Auch wenn Staatspräsident Jokowi die Zahl der Urlauber in den kommenden Jahren auf 20 Millionen verdoppeln will: Die meisten europäischen Gäste zieht es bisher nach Bali, Java und Batam. Indonesien hat also noch unzählige abgeschiedene Plätze und Landschaften zu bieten. Wer diese entdecken möchte, sollte vor allem ausreichend Zeit mitbringen: Nicht nur die Distanzen zwischen den Inseln sind oft größer als vermutet. Auch „einfache“ Wege mit dem Auto können sich angesichts der vorherrschenden Verkehrssituation – schmale, drückend volle Straßen gepaart mit chaotischen Fahrmanövern – rasch als abenteuerlich herausstellen. 

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